KATHREIN RFID-Leser für die Zugidentifikation bei Schweizerische Bundesbahnen

Der einwandfreie Zustand aller Schienenfahrzeuge dient nicht nur der Fahrgastsicherheit, er verhindert auch potenzielle Schäden an der Infrastruktur, wie Schiene, Oberleitung oder Zugkomponenten. Um ein durchgängiges Zustands-Monitoring etablieren zu können, kennzeichnete die Schweizerische Bundesbahnen (SBB) zur automatisierten und eindeutigen Erkennung alle eigenen Schienenfahrzeuge mit RFID. Durch die Kennzeichnung sind diese Fahrzeuge lokalisierbar. Die Integration der Technologie fand in Zusammenarbeit mit Enkom statt, und es wurden RFID-Lesegeräte und Software von KATHREIN Solutions eingesetzt.

 

Herausforderungen für die Bahnbetreiber

Bahnbetreiber und Zugsteuerungsanlagen sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, die ihre Effizienz und Sicherheit beeinträchtigen können. Eine der größten Hürden ist das Kapazitätsmanagement und die Überlastung der Schienennetze. Angesichts einer stetig wachsenden Nachfrage wird es immer schwieriger, den Zugverkehr reibungslos zu steuern. Ohne intelligente Lösungen kann dies zu Verspätungen und ineffizienter Ressourcennutzung führen.

Ein weiteres zentrales Problem ist die Sicherheit und Unfallvermeidung. Angesichts der hohen Verkehrsdichte auf den Schienen müssen die Steuerungssysteme jederzeit in der Lage sein, Unfälle zu verhindern und auf Notfälle zu reagieren. Die Implementierung von IoT-Technologien bietet hier vielversprechende Ansätze: Echtzeitüberwachung, prädiktive Wartung und automatisierte Steuerungssysteme können diese Herausforderungen erheblich reduzieren und den Betrieb von Bahnsystemen effizienter, sicherer und zukunftsfähiger gestalten. KATHREIN Solutions hat eine umfassende RFID-Lösung inklusive der Software CrossTalk für die Schweizerischen Bundesbahnen bereitgestellt, um dies zu gewährleisten.

Abbildung: Die Fahrzeugidentifikation mittels «RFID in Rail» wird als eine Enabler-Technologie betrachtet, mit der alle Prozesse, die auf eine Fahrzeug-ID angewiesen sind, digitalisiert können. Nur mit der «radscharfen» Fahrzeugidentifikation lassen sich Daten und Informationen zuverlässig den richtigen Fahrzeugkomponenten zuordnen und mit entsprechenden Auswertemethoden automatisch die erforderlichen Prozesse anstoßen.

 

Kritische Entwicklungen frühzeitig erkennen

Die SBB Infrastruktur ist die Betreiberin der Zugkontrolleinrichtungen (ZKE). ZKE sind stationäre Messeinrichtungen entlang des Gleises, die eine umfassende Überprüfung vorbeifahrender Züge auf verschiedene sicherheitsrelevante Merkmale ermöglichen.

Ziel der Infrastrukturbetreiberin ist es, schadhafte Fahrzeuge frühzeitig zu erkennen und durch gezielte Maßnahmen bestimmte Ereignisse präventiv zu verhindern. Beispielsweise wird der Zugführer gewarnt, die Geschwindigkeit zu verringern, wenn an einer Achse eine Temperatur von 130 Grad gemessen wird, was auf eine Störung hinweist.

Die Streckenführung wird angepasst, um den nächsten geplanten Interventionspunkt zu erreichen, wo das Fahrzeug aus dem Zug entfernt wird. Damit es nicht zu Betriebsbeeinträchtigungen kommt, wird die Infrastruktur und alle darauf verkehrenden Fahrzeuge permanent überwacht. Unerwartete Probleme an Schienenfahrzeugen im Personen- oder Güterverkehr will die SBB aus Sicherheits- und Kostengründen vermeiden. Eine proaktive Instandhaltung ist ein wichtiger Prozess für einen reibungslosen, zuverlässigen Fahrplan.

Vorteile der RFID-Lösung

  • Daten werden erfasst und an die verantwortlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) oder Fahrzeughalter übermittelt
  • Digitalisierung und Echtzeitanalyse der Daten ermöglichen frühzeitige Schadenserkennung und achsscharfe Zuordnung für Alarmierung
  • Automatisierte Zugbeobachtung und diskriminierungsfreie Kontrolle des Rollmaterials durch Zugkontrolleinrichtungen
  • Generierung von Zusatznutzen durch zuverlässige Fahrzeugidentifikation bei voller Streckengeschwindigkeit, einschließlich Automatisierung manueller Prozesse, fahrzeugscharfer Zustandsüberwachung und Prognose der Fahrzeug-Zustandsentwicklung für die Optimierung des Fahrzeugunterhalts
  • Die Daten haben das Potenzial für eine Prognose der Fahrzeugzustandsentwicklung. Dadurch wäre eine prognostizierte Zustandsentwicklung und ein Verfügbarkeitsgewinn durch Fahrzeugidentifikation möglich
  • Sicherheitsgewinn, Zustandsoptimierung durch Ursachenbeseitigung und Optimierung der Lebenszykluskosten
  • Eindeutige Zuordnung von Radaufstandskraftmessungen zu einzelnen Rädern durch Fahrzeugidentifikation mit RFID, erleichtert die Verfolgung der Radzustandsentwicklung

Fahrzeugzustandsüberwachung: Monitoring von Infrastruktur und Fahrzeugen

Die Basis für die gewünschten qualitätssichernden Maßnahmen war zunächst die Fahrzeugidentifikation über RFID-Transponder, die eine achsscharfe Zuordnung der Daten zu einem Fahrzeug ermöglichte. Nur so kann der Fahrzeugzustand zuverlässig über mehrere Zugkontrolleinrichtungen verfolgt und kritische Entwicklungen frühzeitig erkannt werden.

Die Erfassung von Fahrzeugachsen wurde über Schienenkontakte, die am Gleis verbaut sind, sichergestellt. Durch Verknüpfung dieser Daten mit den RFID-Identifikationsdaten, war man in der Lage ein intuitives Businessevent zu erzeugen, das Auskunft über Zustand und Fahrzeugindividualdaten gab. Das Ergebnis: Echtzeittransparenz über den Zustand der Schienenfahrzeuge.

Abbildung: Beispielhafter Ausschnitt aus der von Kathrein Solutions entwickelten SBB-Applikation, um die ermittelten Fahrzeugdaten auf mobilen Endgeräten anzuzeigen.

 

Erste Pilottests

Im Jahr 2013 errichtete die SBB den ersten Pilotstandort für die Installation von Zugkontrolleinrichtungen (ZKE). Das Ziel dieses Pilotprojekts bestand darin, den Nachweis zu erbringen, dass Fahrzeuge achs- oder radscharf identifiziert und anschließend unter den gegebenen Eisenbahn-Betriebsbedingungen mit den Messdaten der ZKE-Anlagen kombiniert werden können.

Für die Tests seitens Infrastruktur wurde zuerst ein Zug mit vier Fahrzeugen mit RFID-Tags ausgestattet. Gleichzeitig installierte eine andere Division der SBB, die Division Personenverkehr, ebenfalls eine erste Anlage in einer Waschstraße. Das Ziel dort bestand darin, den Waschprozess zu automatisieren. Die Abrechnung auf der Basis des gewählten Waschprogramms ist bereits automatisiert worden. Somit fand dieses Pilotprojekt im Jahr 2013 gleichzeitig in zwei Divisionen statt.

Auch heute noch wird der Wasch- und Reinigungsprozess mithilfe der RFID-Technologie durchgeführt. Im Jahr 2014 befand sich das Pilotsystem bereits in Betrieb. In den folgenden Jahren wurde das System getestet, verfeinert und finanziell für eine flächendeckende Einführung von 2015 bis 2018 unterstützt. Während dieser Zeit wurden alle SBB-Standorte mit RFID-Technologie ausgerüstet, begleitet von umfangreichen Bemühungen zur Interessensvertretung, um Fahrzeughalter zur Teilnahme an den Tests zu ermutigen.

Obwohl die technische Umsetzung des Projekts 2018 abgeschlossen wurde, werden kontinuierliche Bemühungen unternommen, um zusätzliche Datenquellen zu integrieren und mehr Fahrzeughalter für die Nutzung der Daten zur Wartung zu gewinnen. Dieser iterative Prozess erfordert Zeit, damit die Nutzer Vertrauen in die Daten entwickeln und ihre potenziellen Anwendungen vollständig verstehen können.

Hardware & Software: installierte RFID Hardware

Die passive RFID-Technologie wird gemäß dem GS1-Standard „RFID in Rail“ und ISO 18000-6C EPC Class1 Gen2 europaweit als Fahrzeugidentifikationslösung etabliert. Die SBB hat beschlossen, „RFID in Rail“ flächendeckend einzusetzen und einen Teil der erfassten Daten den Fahrzeughaltern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Bereits 60 Prozent der auf der SBB Infrastruktur verkehrenden Fahrzeuge sind mit RFID-Tags zur Identifikation ausgestattet.

Die Installation der KATHREIN-Lesegeräte erforderte bauliche Anpassungen, die gemeinsam durch ZKE und den Lieferanten durchgeführt wurden. Alle ZKE Anlagen wurden mit RFID-Lesegeräten ausgerüstet. Das sind zirka 120 Anlagen an 70 Standorten. Typischerweise gibt es alle 30–50 km einen ZKE Standort. Jeder der rund 70 Standorte umfasst ein bis vier Gleise, denen jeweils ein Lesegerät zugeordnet ist.

Abbildung: Die RFID-Transponder in Zügen und die Gleisbett-RFID-Lesegeräte müssen extrem robust sein und allen Wetterbedingungen standhalten.

 

Robuste RFID-Etiketten und Lesegeräte

An den Fahrzeugen sind passive RFID-Transponder angebracht, die von RFID-Readern bei Durchfahrtsgeschwindigkeiten bis 180km/h ausgelesen werden. Die RFID-Transponder an den Zügen sowie die am Gleis verbauten RFID-Reader erfordern eine besondere Robustheit, die jeder Witterung standhält. Dies ist besonders wichtig im Winter in der Schweiz, wo die Wetterbedingungen extrem sein könnten.

Der Kathrein Reader ARU 3500 ist speziell für raue Umgebungen konzipiert und daher optimal für diese Bedingungen geeignet. Die Hardware-Kosten hielten sich durch die interne Antenne des ARU 3500 bei einer Eingleis-Anwendung in Grenzen. Bei einer Zweigleis-Anwendung wurde ein zusätzlicher Kathrein Reader ARU 3500 als Slave angebunden.

Durch die konfigurierten IDs (Master und Slave) am Haupt-Reader kann jede Erfassung dann entsprechend dem Gleis zugeordnet werden. Die Schienenfahrzeuge sind mit einem RFID-Tag gemäß der DIN-Norm EN17230 gekennzeichnet. Die eingesetzten Reader haben eine Weitwinkelantenne mit 65° Weitwinkel und nutzen die UHF-RF-Einheit mit einer Bandbreite von 865–868 MHz, mit optimaler Konnektivität über PoE+.

Datenerfassung bei 200 km/h, Schnee oder Starkregen

Die Leseanforderungen der RFID-Transponder an den Fahrzeugen beinhalteten die Fahrzeugnummer. Die ZKE-Messdaten werden für Intervention und Analyse mit Solldaten wie Fahrplan-, Formations- und Ladungsinformationen angereichert. Außerdem mussten die Daten-Erfassungen in einer Range von 5 km/h bis 180 km/h zuverlässig erfolgen.

Software und Datenvisualisierung

Bei diesem Projekt wurde die CrossTalk-Software von Kathrein eingesetzt. Zur benutzerfreundlichen Visualisierung hat Kathrein Solutions dafür eine auf die SBB zugeschnittene App entwickelt, um die ermittelten Fahrzeugdaten (Präsenz, Fahrzeugnummer, Achsen) auf verschiedenen Endgeräten anzuzeigen. Diese Visualisierung bildet jedes Fahrzeug mit jeder einzelnen Achse ab und vermittelt einen sofortigen Überblick bzw. Transparenz pro erfasstem Schienenfahrzeug.

Die RFID-Lösung

Daten aufnehmen und intelligent aufbereiten

Nachdem die RFID Reader die Daten aufgenommen haben, werden diese über die Kathrein CrossTalk-Software an die speziell für die SBB entwickelte App übergeben. Dabei sendet jede Lesestelle die Daten an drei Server: einen Produktiv Server, einen Backup Server und einen Test Server. Das Monitoring der RFID-Hardware findet zentral über ein SBB internes System statt, das via Kathrein CrossTalk-Agent und dem CrossTalk-Server die Reader Statusdaten erhält.

Kathrein CrossTalk ermöglicht auch die Integration der RFID-Hardware in das führende System der SBB. Dabei wird der Kathrein RFID-Reader mittels des CrossTalk-Agents intelligent gemacht, sodass diese dem SBB System ihre Zustandsdaten zur Verfügung stellen.

Echtzeitdaten für vorausschauende Wartung

Kathrein Solutions hat die 70 Zugkontrolleinrichtungen der SBB mit rund 120 RFID-Lesegeräten ausgestattet, die eine umfassende Überwachung der Sicherheit gewährleisten. Diese hochentwickelten Mess- und Sensoranlagen erfassen rund 11.000 Züge pro Tag und übernehmen kontinuierlich und autonom eine Vielzahl von Überwachungsaufgaben.

Die Ausstattung von Fahrzeugen mit RFID-Etiketten ist eine Voraussetzung für eine vorausschauende Wartung. Die Analyse von Fahrzeugdaten wie Temperatur, Achslast, Brems- und Lastdaten ermöglicht eine frühzeitige Problemerkennung. Pro Jahr werden mehr als 40 Millionen Achsen bemessen. Dazu gehören rund 10 Millionen Fahrzeugmessungen.

Durch die frühzeitige Erkennung verbessert sich der Fahrzeugzustand und reduziert Schäden an Infrastruktur und Betriebsunterbrechungen. Sensoren im SBB-Netz überwachen wichtige Parameter wie Achstemperatur und Bremsfunktionalität und erkennen Anomalien. Echtzeitdatenanalyse ermöglicht proaktives Eingreifen zur Risikovermeidung und Sicherheitsgewährleistung.